Die EXPO lebt – Teil 2: Balancity

Ob sich das mehr als dreistündige Warten beim deutschen Pavillon gelohnt hat oder nicht, sei dahingestellt. Eine positive Überraschung war er allemal. Von der Presse gelobt, von den Besuchern wahrscheinlich auch, haben die Veranstalter hier alles richtig gemacht. Der Rundgang ist lang, bunt, lebendig, informativ, die Präsentation modern, abwechslungsreich und verspielt. Die Ausstellung besteht aus 13 verschiedenen Bereichen, die alle unterschiedlich gestaltet sind und sich auf verschiedene Facetten deutschen Lebens konzentrieren, hindurch führen die lebensgroßen Abbildungen des Deutschen Jens und der Chinesin Yanyan. Gleich zu Anfang wird es typisch Deutsch: Die Bundesländer präsentieren sich. Ohne Föderalismus wäre es nicht die Bundesrepublik! Jedes der sechzehn Länder zeigt ein charakteristisches Motiv, sei es ein Gebäude oder eine Landschaft, in dem man selbst Platz findet und sich fotografieren lassen kann. Bayern zeigt Neuschwanstein, Thüringen die Wartburg samt übergroßem Gartenzwerg, Rheinland-Pfalz ist mit der Loreley vertreten, Niedersachsen mit der Autostadt (immerhin ist hier fast jedes Taxi ein Santana) und Berlin mit Wappenbär und Brandenburger Tor.

Daran anschließend führt der Weg in einen sehr offenen Teil des Gebäudes, der durch große Rasenflächen trotz des Blickes auf benachbarte Pavillons ein Stück weit aus dem EXPO-Trubel herausgelöst scheint. Hier wird das Leben in Vororten und städtischen Randgebieten vorgestellt. Es geht um Windenergie und Sportvereine, Windorgeln können ausprobiert, Bälle verschiedener Sportarten betastet werden. Überhaupt darf hier viel angefasst werden. So werden in Bereich „Die Fabrik“ verschiedene Baustoffe erklärt, berühren ausdrücklich erwünscht. „Das Depot“ zeigt „Made in Germany“. Von allen Seiten umgebenen einen Wänden aus hölzernen Frachtkisten, von denen die geöffneten ein großes Spektrum deutscher EXPOrtschlager präsentiert und damit auch ein wesentlicher Teil deutschen Alltages. Ultrascharfe Küchenmesser und Ceranfeld, Hightechfahrräder, Rollstühle und Prothesen – nicht jeder Besucher wird alles gebrauchen können, aber alles ist brauchbar.

Karnevalsvereine fehlen ebenso wenig wie ein Überblick über bekannte deutsche Parkanlagen, geschichtsträchtige Orte finden in beweglichen Schneekugeln Platz und wer sich traut, trällert kräftig beim Karaoke deutsche Schlager ins Mikrofon. Zu einer Übersicht der entstehenden Elbphilharmonie gesellen sich Informationen über neue Umwelttechnologien und moderne Formen der Energiegewinnung. „Balancity“ ist der Name des deutschen Pavillons, und er ist passend gewählt, ein ausgewogener Überblick über ein Leben in Balance mit Natur und Umwelt erwartet einen. Und obwohl es sich zweifellos um eine idealisierte Darstellung handelt, gewinnt man nicht den Eindruck von Realitätsferne. An Glaubwürdigkeit gewinnt die Ausstellung auch durch die vielen Nischen und Ruhezonen mit vielen Sitzgelegenheiten – man ist gerne hier und fühlt sich willkommen, kann bleiben so lange man möchte. Es entsteht eine Atmosphäre, die anderen Länder-Pavillons wie Australien, Thailand und Südkorea fehlt, durch die man teilweise in Gruppen geschleust wird.

Das abschließende Highlight ist die „Energiezentrale“, ein dreistöckiges, rundes Theater mit einem etwa drei Meter großen, kugelförmigen LED-Bildschirm in der Mitte. Hier trifft man erneut auf Jens und Yanyan, dieses Mal in Person. Sie leiten durch eine interaktive Show, bei der das Publikum Einfluss auf das Geschehen auf der LED-Kugel nimmt, zum Beispiel durch das Wegblasen der Flugschirme von einer Pusteblume, die der große Bildschirm darstellt. Spätestens wenn der große LED-Spielball durch lautes Rufen des gesamten Publikums heftig zu pendeln beginnt und dabei Bilder von deutschen Fußball-Erfolgen und dem Fall der Berliner Mauer zeigt, wird die Vorstellung zu einem mitreißenden Erlebnis.

Neben dem Stempel für den „EXPO-Pass“, den viele der Pavillons anbieten, gibt es für jeden Besucher einen Info-Flyer über den Rundgang und ein Heft über Reiseziele in Deutschland, die man als Erinnerung mit nach Hause nehmen kann.

Wir lernen:

huópō

heißt:

lebendig, munter