Neujahr Silvester Shanghai ist, ähnlich wie Weihnachten, überall in Shanghai präsent, aber trotzdem kein wirklich wichtiges Fest in China. Dementsprechend ruhig war auch die Silvester-Nacht. Wo man in Deutschland selbst in den kleinen Ortschaften bereits tagsüber ständig vereinzelte Kracher hört, war das hier eher die Ausnahme. Dies zeigen auch die Nachtbilder, aufgenommen um kurz nach Mitternacht.
Am Wujiaochang
Kalt war es – das EXPO-Thermometer zeigte -1 Grad Celsius. Man hörte zwar Feuerwerk, aber nur wenig und es war kaum etwas zu sehen. Nur gelegentlich schaffte es eine einzelne Rakete über die Hochhäuser. Einige hundert Meter flussäufwärts auf dem ehmaligen Expo-Gelände findet einer der zwei städtischen Countdowns statt mit lauter Musik und einem verhaltenen Feuerwerk auf dem Huangpu. Der andere Countdown wird im teuren Barviertel Xintiandi gefeiert. Ähnliche Veranstaltungen am Bund und in Lujiazui am Oriental Pearl Tower wurden kurzfristig wegen Sicherheitsbedenken abgesagt.
Jetzt sind wir gespannt auf das Frühlingsfest im Februar, wenn das chinesische Neujahr sieben Tage lang gefeiert wird. Es wird wohl mehr zu sehen sein über der Skyline von Lujiazui.
Der Pavillon Macaos auf der Shanghai Expo 2010 ist einer optisch gelungensten. Er hat die Form eines großen Hasen mit beweglichem Kopf und Schwanz. Laut chinesischer Mythologie ist der hier dargestellte Jade-Hase der Wächter des Nantianmen, der Tür zu einem Märchenland. Das ist nicht unpassend, berücksichtigt man den Wohlstand und die vielen ausgefallenen Hotels und Casinos, denn in Macao ist Glücksspiel legal im Gegensatz zu Hongkong und China. Die Höhe des Pavillons mit 19,99 Metern symbolisiert den Wiederanschluss ans Mutterland China im Jahre 1999. Im Inneren des Pavillons begibt man sich auf einen filmischen Rundgang durch die Sonderverwaltungszone. Die Leinwand verläuft entlang des gesamten Weges, man muss der Projektion durch das Gebäude folgen. Durch den Pavillon begleiten einen ein Junge, ein Mädchen und ein Erwachsener und erklären einem dabei verschiedene Sehenswürdigkeiten, Feste und einen kleinen Teil der Geschichte der Region. Teile der Leinwand sind hervorgehoben, so dass die Projektionen Struktur erhalten und alles plastischer wirkt. Insgesamt ein positives Beispiel für einen Pavillon mit Filmvorführung durch den Charakter eines gemeinsamen Spazierganges anstelle einer rein passiven Kinovorstellung.
Der Pavillon von Singapur war insbesondere durch die VIP-Behandlung auf der Shanghai Expo 2010 reizvoll. Das ist nicht im übertragenen Sinne zu verstehen. Für die meisten Pavillons, über die wir in diesem vierteiligen Beitrag berichtet haben, waren wir und der Rest unseres Chinesisch-Kurses vorangemeldet. Wir mussten nicht anstehen sondern konnten über gesonderte Eingänge die Ausstellungen betreten. Aber nur hier wurden wir während des gesamten Aufenthaltes dem Rest des Publikums gegenüber bevorzugt behandelt, sogar von diesem getrennt. Einen einzigartigen Rhythmus habe die Stadt. Durch die vielen verschiedenen Kulturen entstehe im Zusammenspiel mit ständigem Fortschritt und der Umwelt eine „Urbane Symphonie“. Etwa so beschreibt der an die Besucher ausgegebene Fächer das Land. Daraus ergibt sich ein roter Faden, wie er uns bisher in keinem anderen Pavillon begegnet ist, ein musikalischer. Eindringliche Rhythmen untermalen die teils interaktive Ausstellung im Erdgeschoss, die wir wegen unserer Führung nur überfliegen konnten. Eine Etage darüber wird es popig. Ein Quartet aus bekannten Sängerinnen und Sängern Singapurs liefert die Stimmen zu einem Musikvideo über die Hauptstadt des kleinen südostasiatischen Staates. Von unseren gepolsterten VIP-Sesseln in der ersten Reihe hatten wir einen optimalen Blick auf die große Panoramaleinwand und damit auf die schönsten Ecken der Löwen-Stadt (Sanskrit: Singha ~ Löwe, Pura ~ Stadt).
Das klare Highlight dieses Shanghai EXPO 2010 -Tages war die Dachterrasse mit Garten, Nebelanlage und Aussicht auf die umliegenden Pavillons und die Lupu-Brücke, die in einem großen Bogen den nahen Huangpu überspannt. Dank der Voranmeldung war unsere Gruppe hier nahezu ungestört, so dass die idyllische, fast surreale Umgebung mit der harmonischen Hintergrundmusik voll zur Geltung kam. Mitten in Blumen und Bäumen, die man sonst nur im tropischen Klima Singapurs findet, vergisst man leicht die Hektik der Großstadt! Wenn man sich etwas Zeit nimmt, findet man hier oben auch ohne Führung für einen kurzen Moment diese Ruhe.
Wir wussten nichts über den Pavillon der Vereinigten Staaten, wir mussten nicht anstehen und auch keinen Umweg in Kauf nehmen, um dorthin zu gelangen. Alle möglicherweise vorhandenen Erwartungen basierten nur auf den drei großen Buchstaben an der Front: U S A. Wir hatten geringe Erwartungen und uns wurde noch weniger geboten.
Der erste Anblick nach betreten des Gebäudes sind zwei komplett mit Logos von Sponsoren bedeckte Wände – zwei große Wände, denn in diesem ersten Raum finden rund 100 – 200 Personen Platz. Das ist die Gruppenstärke, in der man durch die drei Videovorführungen geschleust wird. In dieser Vorhalle werden die Besucher, zwar per Video, aber dennoch relativ persönlich und herzlich, von Amerikanern auf chinesisch begrüßt. Dabei wird auf lockere und sympathische Weise gezeigt, welche Mühe diese scheinbar kleine Aufgabe einigen bereitet. Mit dem Gang in den nächsten Raum, das nächste Kino, lässt man leider auch den menschlichsten Teil das Pavillons hinter sich.
Weise Worte von Außenministerin Clinton und Präsident Obama wechseln sich jetzt mit kindlichen Träumereien ab deren Bedeutung für wirtschaftlichen Fortschritt gekonnt von Repräsentanten Vertretern solcher Firmen wie GE und Pepsi aufgezeigt wird. Immer wieder wird die Bedeutung wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit anderen Nationen, insbesondere China, hervorgehoben. Die christliche Hilfsorganisation „Habitat for Humanity“, deren Aufgabe es ist, bedürftigen Menschen zu einem Dach über dem Kopf zu verhelfen, muss in dem Film gleich zwei Rollen besetzen: Soziales und Religion.
Extreme und Ideale scheinen das Thema der dritten Vorführung zu sein. Schwarz-Weiß und Farbe, Ignoranz und Engagement, Regen und Sonnenschein sind die Widersacher und Gehilfen eines kleinen Mädchens, dass aus seinem Zimmer auf ein verwittertes, trostloses Baugrundstück inmitten einer Siedlung von Mehrfamilienhäusern schaut. Ein Garten soll daraus werden, und wo am Anfang die einzelne, liebevoll von dem kleinen Mädchen gepflanzte Blume Tag für Tag aufs neue zertreten wird, schafft am Ende die gesamte Nachbarschaft das Unmögliche. Mit dem entstandenen Gemeinschaftsgarten kehrt das Leben zurück in die Siedlung bis hinein in die Wohnungen. Trotz seiner Holzhammer-Moral ist das kurze Märchen für sich betrachtet nett anzuschauen, im Kontext der gesamten „Ausstellung“ ist es das nicht.
Der Weg nach draußen führt durch die Elektroabteilung. Wer die Sponsoren am Anfang übersehen haben sollte, erhält hier eine zweite Chance, Vorstellung von Produkten inklusive. Kommentar von einem U.S.Amerikanern, der den Pavillon besucht hat, über die Kinder in den Filmen: „Where did they get these private school kids?“ Ein anderer: „Commercialised!“
Natürlich muss man in dem Zusammenhang festhalten, dass sich der Pavillon alleine durch Sponsoren finanziert, die geschäftlich mit China zu tun haben, da Washington keine Geld für EXPO-Auftritte bereitstellt. Der Bezug eines Großpavillons erfolgte auf drängen Pekings, wo man die USA für eines der bedeutendsten Teilnehmerländer hielt – und das möglicherweise zu Recht. Denn was Deutschen und US-Amerikanern nicht gefällt, kann von einem chinesischen Publikum, mit seinem völlig anderen kulturellen, sozialen und politischen Hintergrund, völlig anders wahrgenommen werden. Im Gespräch mit einem Qualitätsmanager, Mitte 30, besser-verdienend und gebürtig in Shanghai, wurde der Pavillons vollkommen anders bewertet. Das Thema der EXPO, „Better City, Better Life“, sei gekonnt aufgegriffen worden. Die Darstellung der Kinderträume als Wegweiser für die Zukunft wurde ebenso gelobt, wie die Ideale im Film um das Mädchen und den Blumengarten. Der amerikanische Geist von „Yes we can“, einer starken Gemeinschaft und gleichzeitig der Kraft und Bedeutung des Einzelnen, sei gut vermittelt worden.
Gehen die Meinungen zur Präsentation auch auseinander, so scheinen zumindest die Ideen dahinter (Umweltschutz, Verantwortung und Initiative des Individuums, Zusammenarbeit) allgemeinverständlich zu sein.
* Die Firma COMERZIAL und ihr Slogan sind Erfindungen des Autors. Eventuelle Ähnlichkeiten zu realen Firmen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Weiter geht’s in „Ganz großes Kino – Teil 4: Von Hasen und Löwen“
Warum so viele Nationen auf Filmvorführungen setzen, um sich zu präsentieren, ist eigentlich unverständlich. Man mag auf diese Weise viele Informationen transportieren können und das einfacher und billiger. Häufig sind die Filme aber nicht die Wartezeit wert oder den Eintritt auf die EXPO. Denn einen Eindruck vom oder ein Gefühl für das jeweilige Land bekommt man hier nur schwer vermittelt, man bleibt passiv, teilnahmslos.
Es gibt aber auch andere Beispiele. Einige Nationen und Organisationen, die entweder nicht das Geld oder den Hintergrund für eine spektakuläre Ausstellung haben, fallen positiv auf, indem sie auf Videos verzichten und versuchen, sich einfach und einfach anders zu präsentieren.
Der Pavillon von Nepal bietet keine großen Überraschungen, aber lange Wartezeiten bleiben ebenfalls aus. Nach fünf-minütigem Zick-Zack-Gehen, betritt man den äußeren Bereich, einen Komplex aus traditionellen nepalesischen Gebäuden mit Imbiss und Geschäften. Ornamente, geschnitzt von 350 nepalesischen Familien zieren die Fassade und machen den Pavillon selbst zum Ausstellungsstück.
Auf einen genaueren Blick auf den inneren Bereich in Form einer aufgeschnittenen buddhistischen Pagode in/an der sich ein Weg bis zu einer Aussichtsplattform an der Spitze windet, muss man nur kurz warten. Man erhält nicht nur einen Überblick über die Umgebung, sondern auch über Kunst, Kultur, Architektur und moderne Umwelttechnologien des Landes. Die ganze Anlage ist bereits von Außerhalb gut einzusehen und bietet eine Reihe schöner Fotomotive. Ein Zwischenstopp lohnt sich.
Wissen ist Macht! So ist es auch im Falle des UN-Pavillons. Im ersten Moment hat man den Eindruck, in einer dreidimensionalen Informations-Broschüre gelandet zu sein. Keine Spielereien, schlichte Präsentation, ein Konferenzraum, der tatsächlich für Diskussionen und Vorträge genutzt zu werden scheint, so zeigen sich die Vereinten Nationen auf der Weltausstellung. Zu Beginn der Ausstellung wird man mittels vieler Fotos und kurzer Erklärungen mit einer Auswahl der großen Herausforderungen der UN konfrontiert. Beispiele hierfür sind Hungersnöte, Folgen von und bessere Vorbereitung auf Naturkatastrophen wie das Erdbeben von Haiti, der Verlust von Biodiversität im Angesicht zunehmender Industrialisierung und Verstädterung, das Erhalten Historischer Stätten, und so weiter.
Im zweiten Bereich werden auf großen Wänden globale Ungleichgewichte veranschaulicht. Nach Ländern getrennt geht es hier geht um Flüchtlingsströme, um den Anteil über 60jähriger an der Bevölkerung (De: 28,4% der Frauen, 22,9% der Männer – Cn: 12,6% der Frauen, 11,2% der Männer) oder um die Unterschiede in der Kindersterblichkeitsrate (In China sehr gering, in z.B. Mali deutlich erhöht). Wer hätte gewusst, dass die Arbeitslosenquote bei Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren in städtischen Regionen Ägyptens bei 91,2% liegt und damit höher als in den Städten jedes anderen Landes? Schulbildung, Bedrohung durch Hochwasser und Wirtschaftsleistung verschiedener Staaten werden ebenso verglichen. „Better City, Better Life“ ist der Slogan der EXPO in Shanghai – zum Weg dorthin gehören auch unangenehme Wahrheiten.
Zum Abschluss Kambodscha. Es ist ein kleiner Pavillon ohne Wartezeit, die Wände innen beklebt mit Landschaftstapeten berühmter Orte. Tore und Teile von Tempeln darauf sind durch Nachbauten hervorgehoben. Mittendrin wurde ein Wohnraum mit einer Sammlung historischer Webstühle und Spindeln rekonstruiert. Mit einfachen Mitteln wurde eine plastische Umgebung zum Anfassen geschaffen, klein aber einladend.
Man bekommt ein Gefühl für Kambodschas Bemühung, kulturelles Erbe zu bewahren durch Darstellungen aus den historischen Angkor-, Odongk- und Phnom-Penh-Perioden. Auch der Souvenirshop am Ende stört nicht, wirkt er doch eher wie ein geschäftiger Basar, den man so möglicherweise auch in Kambodscha finden kann, konzentriert auf Kunst und Kultur.
Die drei beschriebenen Ausstellungen, Nepal, UN, Kambodscha, zeigen vor allem eines: Der Einfluss von Erwartungen auf die Wahrnehmung ist kaum zu überschätzen. So vermögen es viele der kleinen Pavillons, die man auf dem Durchmarsch „mal eben mitnimmt“, positiv zu überraschen, was den großen leider nicht immer gelingt.
Mehr dazu in „Ganz großes Kino – Teil 3: Am Anfang war der Sponsor“
Die EXPO hat mehr zu bieten als Länderpavillons. Schon außerhalb gibt es – wie könnte es anders sein – faszinierendes zu entdecken.
Dort, wo sich jetzt die verschiedensten Nationen (und natürlich vor allem China) präsentieren, fanden sich zur Zeit unseres ersten Besuches 2004 in erster Linie einfache alte Wohngebiete und viel Industrie, insbesondere Stahlfabriken und Schiffswerften. Nur ein kleiner Teil davon wurde saniert und hat noch Bestand. 18.000 Familien wurden umgesiedelt, die meisten Industrieanlagen an den Stadtrand verlegt.
Jetzt sieht alles anders aus. Nur wenige Kilometer südlich vom Stadtzentrum (Lujazui, Bund) entfernt, direkt unter der gewaltigen Nanpu-Brücke, beginnt das neu angelegte Gelände mit großen Parkplätzen. Wo man 2004 direkt unter der Brücke noch bei einem späten Spaziergang auf geschäftiges Treiben auf einem Fischmarkt stoßen konnte, herrscht jetzt geruchlose Ruhe. Nicht nur um seine Nase braucht man sich keine Gedanken mehr zu machen, auch für die persönliche Sicherheit ist gesorgt. Der gesamte Bereich ist hell erleuchtet von den Flutlichtern der kurz vor Mitternacht völlig verlassenen Parkplätze. Völlig verlassen? Nein, ein kleiner Trupp stramm stehender Polizisten – einer in jeder Ecke jedes Parkplatzes – leistet tapfer Widerstand gegen die Müdigkeit und bewacht die letzten zwei Busse, deren Passagiere sich vermutlich wohlig in einem der neun Hotels der Nachbarschaft in ihre Betten kuscheln. Der vorbeiziehende Polizeitrupp kündigt den Schichtwechsel an.
Bis zum eigentlichen Ausstellungsgelände sind es noch einige 100 Meter. Hier stehen die gewaltigen neuen Verwaltungsgebäude der EXPO und unser altes Hotel. Selbst 2007 mit seinen rund 30 Stockwerken noch das einzige seiner Größenordnung in der Umgebung, ist es jetzt umringt von Bettenburgen wie dem Intercontinental. Irgendwo hier muss vor wenigen Jahren noch die Fabrik von Schwiegerpapa gestanden haben – zum Glück ist er jetzt in Rente!
Insgesamt ist die Umgebung freundlicher, einladender geworden. Neben den großen Eingriffen geschah dies vor allem durch die vielen kleinen kosmetischen Veränderungen. Die Mauern, von denen die Wohngebiete in der Gegend umringt sind, sind schöner geworden, die Ecken der zahlreichen Mehrfamilienhäuser wurden noch Kilometer entfernt verziert mit aufgemalten Ziegelsteinen und sind auch schöner geworden. Die South Pudong Road, die direkt am Gelände der Weltausstellung vorbeiführt, wurde komplett saniert, Blumenkübel überall, Lichterketten in jedem Baum – abends romantisch und offensichtlich ein Anlaufpunkt für frisch Verliebte. Und selbst in den entlegensten Ecken Shanghais begegnen einem Überall das EXPO-Logo und das Maskottchen „Haibao“, der „Meeres-Schatz“.
Wir lernen:
rén
heißt:
Mensch
(Das EXPO-Maskottchen „Haibao“ hat die Form des chinesischen Zeichens für Mensch ۸)
Es ist 16:00 Uhr, von nun an akzeptieren die Eintrittskartenleser die Abendtickets. Mit denen hat man die Möglichkeit, die Expo zum vergünstigten Preis zu erkunden.
Das gute daran: Man ist nicht so geschafft von der Besichtigung zahlreicher Pavillons und hat so ein Auge für die glänzende Umgebung in der Abenddämmerung. Bestmögliches Wetter sorgt gerade bei Sonnenuntergang für atemberaubende Bilder. Ein klares Wetter wird dann besonders bei Nacht sehr wichtig, wenn das Lichtermeer auf der Expo und über den Huang Pu Fluss hinweg erwacht.
Wer ohne Ziel durch das Gelände schlendert, wird zahlreiche Länder-Pavillons entdecken, bei denen man direkt hinein geht ohne dabei Wartezeit in Kauf zu nehmen. Grund ist sicherlich auch, dass einige Länder hier noch recht unbekannt sind. Wichtiger jedoch ist, dass am Abend viele Besucher merklich erschöpft sind und zahlreich den Heimweg antreten. Somit ist es die beste Zeit, sich über Länder wie zum Beispiel Griechenland, Estland, Chile und Nigeria zu informieren. Manche sind weniger interessant, wie Griechenland ausschließlich mit Video-Vorführungen, die etwas ermüdend sind. Aber auch sehenswerte Holzkonstruktionen wie die des Chilenischen Pavillons findet man. Zudem erfährt man etwas über die Menschen und deren Lebensart.
Nigeria hingegen bietet auf kleinem Raum jede Menge kulturelle Eindrücke, die einem Lust machen mehr zu erfahren von diesem Land, welches reich an Lebensfreude zu sein scheint.
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Später am Abend treffen sich Fotografen und solche, die es werden wollen, auf der Expo Achse. Sie führt quer über das Gelände, vom chinesischen Pavillon bis zum Fluss. Gerade bei Nacht ist es dort besonders interessant durch die farbenfrohen Lichtkonstruktionen.
Ein großer künstlich angelegter Wasserspiegel direkt am Huang Pu Fluss zieht besonders Profi- aber auch Hobbyfotografen in den Bann. Denn dort spiegeln sich der Kultur-Pavillon sowie der Chinesische-Pavillon und bilden so ein klasse Fotomotiv.
Ab 20:00 Uhr finden sich Romantiker am Ende der Achse am Fluss ein. Dort entflieht man komplett der Hektik der Expo und genießt eine 20 minütige Fontänen-Show, welche von klassischer westlicher und chinesischer Musik begleitet wird. Hier wird dann alles an Equipment hervorgeholt, um dieses Ereignis so perfekt wie möglich auf den Speicherstick zu bekommen.
Im Falle des EXPO-Geländes der Stadt Hannover hatte man im Zweifelsfall Zeit, sich mit der Nachnutzung zu befassen. Der wesentliche Teil des Gebietes mit den großen Hallen war vorher das Messegelände der Stadt und ist es auch nach dem Ende der Weltausstellung wieder geworden. Die östliche Hälfte mit den meiste Länderpavillons war nach dem Ende der EXPO 2000 zu einem Teil bereits verplant, was auch die weitere Nutzung einiger Pavillons an ihren dortigen Standorten einschloss. Einige Bauruinen und leerstehende Gebäude zeigen, dass selbst nach zehn Jahren die Nachnutzung noch nicht vollständig gelungen ist. Der Randlage des Gebietes ist es zu verdanken, dass sich die öffentliche Empörung in Grenzen hält.
In Shanghai ist die Lage der EXPO 2010 deutlich zentraler – nur sechs Kilometer vom Stadtzentrum entfernt zu beiden Seiten des Huangpu, umringt von Wohngebieten und von der hohen Nanpu-Brücke gut zu überblicken. Während man in Hannover den Eindruck hatte, sich durch eine Parkanlage zu bewegen, die nur dazu bestimmt war, den verschiedensten Nationen als Bühne zu dienen, merkt man auf dem Gelände in Shanghai, dass das Areal auch eine Zukunft hat. Vereinzelt stehen schlichte Versorgungsgebäude zwischen den Pavillons, die nicht wirken, als müssten sie nach der Weltausstellung weichen. Größere neue Straßen durchziehen bereits samt Fahrradstreifen, Ampeln und Straßenschildern das Gelände – viel Platz für viele begeisterte Besucher. Ob dort, wo jetzt noch für einen Blick auf Nationen wie die Vereinigten Arabischen Emiraten oder auch Deutschland angestanden wird, schon in wenigen Monaten wie geplant erste Dienstleistungsunternehmen einziehen werden?
Einen deutlicheren Blick in eine mögliche Zukunft erlauben einem die 120 Volvo-Elektrobusse, die auf dem Gelände unterwegs sind. Sie erscheinen wie eine futuristische Version der Oberleitungsbusse, wie sie in einigen älteren Teilen Shanghais noch heute unterwegs sind. Vielleicht deren Ablösung, denn der spätere Einsatz auf den öffentlichen Straßen der Stadt scheint sichere Sache zu sein. Vereinzelt sind die neuen Volvo-Elektros auch schon im Linienverkehr zu beobachten. Im Gegensatz zu den an elektrischen Hochleitungen geführten Bussen, hängen die neuen Exemplare nicht mehr dauerhaft an der Steckdose. Einmal komplett aufladen dauert acht Stunden, dann reicht’s auch erst mal für 100 Kilometer. Bei Bedarf sind oberhalb einiger Bushaltestellen zusätzlich Kontakt-Schienen angebracht, Ladestationen, die mittels ausfahrbaren Stromabnehmern angezapft werden können, während unten die Fahrgäste ein- und aussteigen.
Ob sich das mehr als dreistündige Warten beim deutschen Pavillon gelohnt hat oder nicht, sei dahingestellt. Eine positive Überraschung war er allemal. Von der Presse gelobt, von den Besuchern wahrscheinlich auch, haben die Veranstalter hier alles richtig gemacht. Der Rundgang ist lang, bunt, lebendig, informativ, die Präsentation modern, abwechslungsreich und verspielt. Die Ausstellung besteht aus 13 verschiedenen Bereichen, die alle unterschiedlich gestaltet sind und sich auf verschiedene Facetten deutschen Lebens konzentrieren, hindurch führen die lebensgroßen Abbildungen des Deutschen Jens und der Chinesin Yanyan. Gleich zu Anfang wird es typisch Deutsch: Die Bundesländer präsentieren sich. Ohne Föderalismus wäre es nicht die Bundesrepublik! Jedes der sechzehn Länder zeigt ein charakteristisches Motiv, sei es ein Gebäude oder eine Landschaft, in dem man selbst Platz findet und sich fotografieren lassen kann. Bayern zeigt Neuschwanstein, Thüringen die Wartburg samt übergroßem Gartenzwerg, Rheinland-Pfalz ist mit der Loreley vertreten, Niedersachsen mit der Autostadt (immerhin ist hier fast jedes Taxi ein Santana) und Berlin mit Wappenbär und Brandenburger Tor.
Daran anschließend führt der Weg in einen sehr offenen Teil des Gebäudes, der durch große Rasenflächen trotz des Blickes auf benachbarte Pavillons ein Stück weit aus dem EXPO-Trubel herausgelöst scheint. Hier wird das Leben in Vororten und städtischen Randgebieten vorgestellt. Es geht um Windenergie und Sportvereine, Windorgeln können ausprobiert, Bälle verschiedener Sportarten betastet werden. Überhaupt darf hier viel angefasst werden. So werden in Bereich „Die Fabrik“ verschiedene Baustoffe erklärt, berühren ausdrücklich erwünscht. „Das Depot“ zeigt „Made in Germany“. Von allen Seiten umgebenen einen Wänden aus hölzernen Frachtkisten, von denen die geöffneten ein großes Spektrum deutscher EXPOrtschlager präsentiert und damit auch ein wesentlicher Teil deutschen Alltages. Ultrascharfe Küchenmesser und Ceranfeld, Hightechfahrräder, Rollstühle und Prothesen – nicht jeder Besucher wird alles gebrauchen können, aber alles ist brauchbar.
Karnevalsvereine fehlen ebenso wenig wie ein Überblick über bekannte deutsche Parkanlagen, geschichtsträchtige Orte finden in beweglichen Schneekugeln Platz und wer sich traut, trällert kräftig beim Karaoke deutsche Schlager ins Mikrofon. Zu einer Übersicht der entstehenden Elbphilharmonie gesellen sich Informationen über neue Umwelttechnologien und moderne Formen der Energiegewinnung. „Balancity“ ist der Name des deutschen Pavillons, und er ist passend gewählt, ein ausgewogener Überblick über ein Leben in Balance mit Natur und Umwelt erwartet einen. Und obwohl es sich zweifellos um eine idealisierte Darstellung handelt, gewinnt man nicht den Eindruck von Realitätsferne. An Glaubwürdigkeit gewinnt die Ausstellung auch durch die vielen Nischen und Ruhezonen mit vielen Sitzgelegenheiten – man ist gerne hier und fühlt sich willkommen, kann bleiben so lange man möchte. Es entsteht eine Atmosphäre, die anderen Länder-Pavillons wie Australien, Thailand und Südkorea fehlt, durch die man teilweise in Gruppen geschleust wird.
Das abschließende Highlight ist die „Energiezentrale“, ein dreistöckiges, rundes Theater mit einem etwa drei Meter großen, kugelförmigen LED-Bildschirm in der Mitte. Hier trifft man erneut auf Jens und Yanyan, dieses Mal in Person. Sie leiten durch eine interaktive Show, bei der das Publikum Einfluss auf das Geschehen auf der LED-Kugel nimmt, zum Beispiel durch das Wegblasen der Flugschirme von einer Pusteblume, die der große Bildschirm darstellt. Spätestens wenn der große LED-Spielball durch lautes Rufen des gesamten Publikums heftig zu pendeln beginnt und dabei Bilder von deutschen Fußball-Erfolgen und dem Fall der Berliner Mauer zeigt, wird die Vorstellung zu einem mitreißenden Erlebnis.
Neben dem Stempel für den „EXPO-Pass“, den viele der Pavillons anbieten, gibt es für jeden Besucher einen Info-Flyer über den Rundgang und ein Heft über Reiseziele in Deutschland, die man als Erinnerung mit nach Hause nehmen kann.
34°C, natürlich im Schatten, und viel Sonne. Das war das Wetter während unseres zweiten EXPO-Besuches. Obwohl es während unseres ersten Ausfluges hierher die meiste Zeit geregnet hatte, waren dieses Mal kaum weniger Regenschirme unterwegs. Es entstand ein ewiger Kampf um die Platzherrschaft seines Regenschirms als Sonnenschirm. Bei solchen Temperaturen, ist es auch für Europäer sinnvoll sich vor den direkten Sonnenstrahlen zu schützen.
Alternativ dazu werden die Gäste, während der gut dreistündigen Wartezeit auf den Besuch im deutschen Pavillon, größtenteils mit Sonnenschutzdächern verwöhnt. Zur Abkühlung darunter stießen wir auf verschiedene Lösungen: Entweder sorgten Ventilatoren an jeder Stütze für einen angenehmen Luftzug. Oder zahlreiche Düsen versprühten einen sanften Nebel aus feinsten Wassertröpfchen. Die dritte Variante waren kraftvolle Klimaanlagen, die einen kühlen Wind in die Menge bliesen. Wannen mit großen Eisblöcken wurden zusätzlich neben den Warteschlangen aufgestellt. Für noch höhere Temperaturen gibt es ergänzende Planungen: Gratisfächer und grüne-Bohnen-Suppe, ein traditionelles Gericht, dass dem Körper Wärme entziehen soll. Dennoch ist die Wartezeit auf einige Länder-Pavillons eine Geduldsprobe, darunter China, Deutschland, Vereinigte Arabische Emirate und Japan um nur einige zu nennen. Ob sich das Ausharren lohnt, hängt auch davon ab, was man anschließend zu sehen bekommt, muss am Ende aber jeder für sich entscheiden. Alternativen mit kürzeren Schlangen gibt es, einige davon sehenswert, andere weniger.
Kaum Anstehen musste man beim Vietnam-Pavillon. Ein Besuch lohnt sich. Das Gebäude besteht aus nur einem hohen Raum und einem kleinen Shop. Äußen und auch Innen wurde fast komplett mit Bambusrohr verkleidet. Funkelnde Kronleuchter sowie kleinere und größere Kunstgegenstände runden das Bild ab. Das Zentrum ist ein großes Wasserbecken mit Seerosen und einer bunten Gottheit mit vielen Armen, die das Treiben auf der Bühne in der Mitte des künstlichen Gewässers überwacht. Hier wird in farbenfrohen Kostümen und mit traditionellen Instrumenten das Publikum unterhalten. Teilweise werden die Vorführungen sogar auf den Teich ausgeweitet, beispielsweise für Wassertänze. Am wichtigsten ist die gute Stimmung, die von den engagierten Musikern und Künstlern ausgestrahlt wird und den Pavillon zum Leben erweckt. Bleiben darf man, so lange man mag. Entsprechend viele Besucher verweilen angesichts der tollen Atmosphäre etwas länger.
Eine Blick auf den deutschen Pavillon werfen wir in „Die EXPO lebt – Teil 2: Balancity“.
Karten für die EXPO bekäme man an sich überall in Shanghai – wären sie nicht im allgemeinen ausverkauft. Aber wir haben unsere Karten gefunden und warum man direkt an der EXPO keine bekommt, haben wir am folgenden Tag auch verstanden. Denn sollte an allen neun Eingängen so viel Betrieb herrschen, wie am Eingang Nr. 4, dann gibt es vor Ort tatsächlich keine Kapazitäten für Kartenverkauf, eine Erklärung, die am Vortag noch seltsam anmutete. An diesem Morgen mussten wir nämlich bereits vor dem Betreten des EXPO-Geländes gut 15 Minuten anstehen, um den Sicherheitscheck passieren zu können.
Unser erstes Ziel, der japanische Pavillon, war derart gut besucht, dass wir uns entschieden, es vorerst bei einer Außenansicht zu belassen, und uns dem südkoreanischen Pavillon zuzuwenden. Als unwillkommene Überraschung sollte sich dort die Wartezeit von etwa 2,5 Stunden herausstellen. War die Warteschlange außerhalb des Gebäudes bereits unerfreulich lang, so sollte sich der versteckte zweite Wartebereich im Inneren als noch größer erweisen. Einzig dort war es allerdings auch, wo uns fröhliches buntes koreanisches Leben begegnet ist, als auf der anderen Seite der „Wartehalle“ eine stimmungsvolle musikalische Vorführung mit vielen trommelnden Frauen gezeigt wurde. Leider waren wir nur Zaungäste, denn eigentlich richtete sich die Darbietung an Zuschauer auf einer Tribüne mit einem separaten Zugang – und separater Warteschlange. Der Pavillon selbst hatte dann außer einiger technischer Spielereien nicht viel zu bieten.
Auf dem Weg zum australischen Pavillon kamen wir auch an jenem der Vereinten Arabischen Emirate vorbei. Wie faszinierend dessen Inneres genau ist, werden wir vermutlich nie erfahren. Statt dessen konnten wir die zugehörige Warteschlange bestaunen. Man munkelt, dass man sich dort bis zu neun Stunden aufhalten kann, bevor man sein Ziel erreicht hat. Die Hinweisschilder jedenfalls warnten vor fünf Stunden Wartezeit, als wir das Ende der Schlange passiert hatten.
Vor dem australischen Pavillon mussten wir ungefähr eine dreiviertel Stunde ausharren, die Hälfte davon im Regen, bis wir Gelegenheit hatten, uns von den Menschenmassen ins Innere schieben zu lassen, vorbei an zahlreichen Szenen und Figuren, die liebevoll die australische Geschichte bis hin zur Gegenwart karikierten. Das Ziel war ein im Zentrum des Gebäudes gelegenes Amphitheater, in dem uns eine effektvolle Clip Show präsentiert wurde. Die reizvollen Bilder aus Städten und Outback wurden präsentiert von zwei Kindern, die uns so das Leben in den beiden gegensätzlichen Landesteilen näher brachten. Lediglich der Abschnitt zur Stadtentwicklung, der mit einem unentwegten Singsang der Zeile „Building Better Worlds“ unterlegt war, erinnerte leicht an Gehirnwäsche.
Der thailändische Pavillon bot uns eine drei geteilte Filmvorführung, von der insbesondere der dritte Teil – eine 4D-Vorstellung – auf große Begeisterung des vornehmlich chinesischen Publikums stieß. Die 3D-Effekte sorgten nicht nur bei den Kindern für große Aufregung – der auf einen zu schwimmende Weiße Hai ließ mehrere Besucher kurz aufschreien. Vor allem wegen der langen Wartezeiten hatten wir uns von allen drei Teilnehmerländern mehr erwartet, aber komplett enttäuscht hat uns an diesem Tag nur der irische Pavillon, der steril und ungastlich schien – ganz anders, als man sich das Land selbst vorstellt. Zumindest mussten wir nicht lange anstehen! Anders als die Besucher des deutschen Pavillons, der offenbar zu den beliebteren gehört.
Rückblickend war wohl das kurze Gespräch mit einem Mitarbeiter des australischen Pavillons, der uns spontan ansprach und einige Meter durch das Gewühl begleitete, besonders interessant: Wir seien zwei von circa 60.000 nicht-Asiaten, die im Schnitt pro Tag die EXPO besuchten und die etwa 1,5 Prozent des Gesamtpublikums ausmachten. Kann hinkommen – am Vortag hätten laut Anzeige in der Metro etwa 450.000 Menschen die Weltausstellung besucht.